Vor ein paar Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal so froh sein würde, mich nie auf ein bestimmtes Programm oder eine technische Nische spezialisiert zu haben. Ich war nie die 3D-Artistin oder Motion-Göttin, die jede Shortcut-Kombination im Schlaf beherrscht. Stattdessen hat mich immer das große Ganze interessiert. Heute merke ich: Das ist ein Vorteil. Denn mit KI lassen sich Ideen innerhalb von Sekunden realisieren – ganz ohne dass ich jemals Blender im Detail gemeistert hätte. Für viele meiner spezialisierten Kolleg:innen ist das allerdings eine ziemliche Horrorvorstellung. 3D-Artists etwa sehen gerade live, wie ihre Skills von Modellen wie Sora oder Stable 3D in Rekordgeschwindigkeit überholt werden. Was früher exklusives Fachwissen war, gibt’s heute als Service mit einem Prompt. Und das bleibt nicht ohne Folgen: Der CEO von Fiverr, Micha Kaufman, schrieb kürzlich in einem Memo an seine Belegschaft: „It does not matter if you are a programmer, designer, product manager … AI is coming for you.“ Wenig später kündigte Fiverr an, 30 % der Mitarbeiter:innen abzubauen, um sich „AI-first“ aufzustellen. Das ist kein dystopisches Zukunftsszenario, das ist 2025.
7 Tage hat es gedauert die Welt zu erschaffen, innerhalb von Sekunden erschaffen wir den Mars.
Natürlich nutze auch ich selbst KI ständig. Photoshop AI retuschiert Hintergründe, Figma Make baut mir Prototypen, ChatGPT liefert Personas oder Ideen, an die ich von allein gar nicht gedacht hätte. Das klingt alles nach Magie, ist aber längst Alltag. Gleichzeitig wünsche ich mir manchmal, KI würde an ganz anderen Stellen einspringen: Barrierefreie PDFs oder Stapelverarbeitung von Bildformaten sind 2025 immer noch ein Trauerspiel. KI übernimmt die spaßigen Dinge, während die richtig langweilige Arbeit – die man wirklich loswerden will – noch in meiner To-do-Liste hockt. Da ist die Prioritätensetzung der Hersteller eindeutig auf Marketingfreundliches gerichtet, nicht auf das, was unseren Alltag wirklich erleichtern würde.
Und dann ist da noch dieses Problem: Alles sieht gleich aus. Scrollt man durch Instagram oder läuft durch eine US-amerikanische Innenstadt, bekommt man das Gefühl, dass sämtliche Werbetafeln von derselben KI ausgespuckt wurden: links Text, rechts Freisteller, neutraler Hintergrund. Auch bei Startup-Websites das gleiche Bild – gefühlt 98 % basieren auf denselben Layoutideen. Es ist, als hätte sich die Welt auf ein langweiliges Universal-Template geeinigt. KI macht Design zugänglicher, ja. Aber sie macht es auch austauschbarer.
Genau hier beginnt für mich der Kern der Sache: Die eigentliche Arbeit von Designer:innen verschiebt sich. Wir sind nicht mehr nur die „Maker“, die Pixel rumschieben, sondern die Kurator:innen, die aus 500 generierten Entwürfen den einen herauspicken, der Sinn ergibt. Wir sind die, die aus KI-Schnipseln ein kohärentes System bauen, das länger hält als bis zum nächsten Pitch. Wir sind die, die bewusst gegen den Strom schwimmen, während KI uns unermüdlich den Mainstream serviert.
Das klingt spannend, hat aber einen Haken: Was passiert mit Nachwuchsdesigner:innen? Früher fingen sie mit kleinen Aufgaben an – ein Icon hier, ein Social-Post da. Heute erledigt das alles Midjourney in drei Sekunden. Wo sollen junge Leute lernen, worauf es im Design wirklich ankommt, wenn die Grundlagen schon weggefallen sind? Designausbildung muss sich dringend neu aufstellen. Studierende brauchen nicht nur Tool-Know-how, sondern vor allem die Fähigkeit, kritisch mit KI umzugehen: Wo hilft sie, wo hindert sie, wo produziert sie Mittelmaß? Und wie komme ich überhaupt zu einem Ergebnis, das nicht so aussieht wie alles andere?
Denn genau das ist die neue Währung: Unverwechselbarkeit. Und die wird teurer. Ich glaube, wir bewegen uns auf eine Zweiteilung des Marktes zu. Auf der einen Seite „Commodity-Design“: schnell, günstig, KI-basiert. Für viele kleine Startups ist das sogar besser, als einen mittelmäßigen Designer zu bezahlen, der auch nichts Bahnbrechendes liefert. Auf der anderen Seite entsteht „Signature-Design“: bewusst von Menschen kuratiert, strategisch durchdacht, mit klarer Haltung.
Interessanterweise hat Wix Studio schon heute die Möglichkeit eingeführt, Websites mit einer Signatur zu versehen – wie Kunstwerke. Gut möglich, dass es in Zukunft als Statussymbol gilt, noch menschliches Design gekauft zu haben. Für die breite Masse ist das egal, aber im Premium-Segment – Luxus, Kunst, High-End-Tech – könnte genau dieses „Siegel des Menschlichen“ das wichtigste Unterscheidungsmerkmal sein.
Und doch: Wir sollten uns nichts vormachen. Ein riesiger Teil dessen, was Designer:innen heute tun, wird automatisiert. Logos, Standard-Webseiten, einfache 3D-Visualisierungen – all das braucht in ein paar Jahren wahrscheinlich niemand mehr. Aber es gibt Bereiche, in die KI niemals vordringen wird. Erstens: Kontext. Marken sind kulturelle Wesen, und ob ein Design funktioniert, hängt von Zwischentönen ab, gesellschaftlich, politisch, lokal. Eine KI weiß nicht, warum ein Symbol in Deutschland cool wirkt, in Japan aber einen Skandal auslösen würde. Zweitens: Empathie. Kund:innen wissen selten genau, was sie wollen. Erst im Gespräch, im Zuhören, in den Missverständnissen und Zwischentönen entsteht Klarheit. KI kann Input-Output, aber sie hat keine echte Beziehung. Und drittens: Mut. Die besten Designs sind nicht glatt oder gefällig, sondern brechen Regeln. KI dagegen liefert Varianten dessen, was sie kennt. Sie wird dir nie den genialen Regelbruch vorschlagen, der alles verändert.
Am Ende bleibt also ein Paradox: Noch nie war es so einfach, Ideen Realität werden zu lassen. Und noch nie war es so schwer, aus der Masse herauszustechen. KI demokratisiert Kreativität, das ist großartig. Aber sie produziert auch eine Flut an generischem Mittelmaß. Designer:innen werden deshalb nicht verschwinden – sie werden sich neu erfinden müssen. Weniger als Handwerker:innen, mehr als Übersetzer:innen, Strateg:innen, Kurator:innen zwischen Mensch, Marke und Gesellschaft.
Vielleicht wird menschliches Design zum Luxus. Vielleicht sogar zum Statussymbol. Aber eines ist sicher: Wirklich gutes Design war immer mehr als ein paar Prompts – und das wird auch in Zukunft so bleiben.